Mit sehr hoffnungsvollen Worten kommentiert Muriel Asseburg als kompetente Kennerin des Nahen Ostens den Abschluss eines Abkommens über die Waffenruhe in Gaza. Und weil die Hamas die Liste nicht "rechtzeitig" zur Verfügung stellen (konnte), hat Israel noch einmal richtig zugelegt mit neuen Bomben auf Gaza, wie tagesschau.de am Sonntag, 19.1.2025 - 8:00 Uhr berichtete.
Das Interview vom 17.1.2025
Ab Sonntag, 19.1.2025 sollen die Waffen schweigen. Für Muriel Asseburg vom Regierungs-Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gilt die Zustimmung zu einer 6-wöchigen Waffenruhe als gesichert. Auch Parteien der Opposition haben angekündigt, dem Abkommen zuzustimmen. Und das ist unabhängig davon, ob die rechtsextremen Minister Ben-Gvir und Smotrich die Regierung verlassen. Ermöglicht hat diese Vereinbarung zwischen Hamas und der israelischen Regierung nach Ansicht von Asseburg der Druck des designierten US-Präsidenten Trump.
Das wäre - hoffentlich der Einstieg in einen diplomatischen Prozess und eine Wendung hin zur Diplomatie.
Verbunden damit ist auch die Hoffnung auf eine Einigung zwischen Israel und Saudi-Arabien. Das wird aber nicht funktionieren, wenn die Kämpfe im Gaza-Streifen wieder aufflammen.
Eigentlich lag diese Vereinbarung bereits im Mai 2024 so vor und die Hamas hatte bereits zugestimmt. So ein Abkommen hätte man schon sehr viel früher haben können. Aber die Biden-Administration hat das nicht hinbekommen.
Was aber ist nach 42 Tagen? Hat die Waffenruhe Bestand ? Eine Rolle spielen dabei innenpolitische Probleme Israels, da die extremistisch rechten Minister - insbesondere Ben-Gvir - drohen, die Regierung zu verlassen. Smotrisch scheint zustimmen zu wollen, da ihm schon wesentliche Zugeständnisse gemacht worden sind: das Siedlungs- und Annexionsprojekt im Westjordanland soll nah Netanyahu fortgesetzt werden.
Als elementare Voraussetzung für einen dauerhaften Waffenstillstand im Gaza-Streifen wird sein, dass ...
- die Waffen schweigen,
- Israels Armee aus den Bevölkerungszentren abzieht,
- die Rückkehr der Bevölkerung erfolgt,
- der Gaza-Streifens für humanitäre Hilfe geöffnet wird.
Viele Aspekte eines politischen Prozesses sind noch nicht ausformuliert, wie z. B.:
- Wer die Kontrolle über den Gaza-streifen übernimmt. Den USA-Vorschlag: PA-Behörde lehnte Israel bereits ab.
- Wird es eine internationale Sicherheitspräsenz geben?
Wie wird der Wiederaufbau im Gaza-Streifen organisiert? - Vom Gelingen dieser Maßnahmen hängt es ab, ob es gelingt eine politische Perspektive der Konfliktregelung zu schaffen
und ob die Situation in der Westbank nicht gleichzeitig eskaliert.
Wenn es nicht gelingt, zu einem diplomatischen Prozess zu kommen, werden arabische Staaten wie Ägypten und VAR keine Motivation haben, sich finanziell zu engagieren. Auch die Gefahr für ein Scheitern eines Sicherheitsengagements mit Militär und Polizei ist ohne eine politische Lösung des Gesamtproblems hoch.
Soweit die Analyse von Muriel Asseburg von SWT.
Sie können das Interview als MP3 hören im DLF unter: https://www.deutschlandfunk.de/waffenruhe-in-gaza-kommt-interview-muriel-asseburg-swp-100.html
Desweiteren empfehlen wir ein sehr interessantes Interview mit Muriel Asseburg in der Frankfurter Rundschau.
Mit dieser Analyse von M. Asseburg verbinden wir eine Hoffnung. Aber es gibt auch die pessimistischen Einschätzungen. Es hängt alles davon ab, wie hoch die Administration von Donald Trump den Druck auf Netanyahu aufbaut. Denn Israel hat von sich aus noch nie Kompromisse gemacht.
Ohne die Lösung der politischen Probleme Besatzung, Vertreibung, Rückkehr der Vertriebenen, Siedler-Ausweisung und eine Staaten-Regelung - 2-Staatenlösung oder Ein-Staat-für-alle mit gleichen Rechten ohne jüdische Suprematie - wird es keinen Frieden geben. Ohne diese Lösung kommt der nächste Anschlag - vorausgesetzt der Waffenstillstand hält erst einmal. Denn das ist schon eine große Hürde, wenn man die Pläne der israelischen Regierung für die besetzten, palästinensischen Gebiete betrachtet. Und Netanyahu hat seinem Minister Smotrich, Finanzminister und Minister für den Siedlungsbau bereits versprochen, dass nach 42 Tagen der Krieg wieder aufgenommen wird. Der ebenso rechts-extreme faschistische Minister Ben-Gvir ist bereits von seinem Ministeramt zurückgetreten. Er kündigte jedoch auch an, eine Rückkehr in die Koalition in Erwägung zu ziehen, falls die Kämpfe nach der ersten Phase des Abkommens wieder aufgenommen würden, berichtet die Wochenzeitung Die ZEIT.
Und wie könnte der Weg zu einem Frieden aussehen?
Diese Massaker der Israelischen Armee in Gaza und im Westjordanland, zusammen mit den Pogromen israelischer Siedler im Westjordanland wird kein Palästinenser jemals vergessen. Keine Familie in Gaza, die keine Toten zu beklagen hat, ganze Familien wurden ausgelöscht, 90% der Wohnungen sind zerstört. Es gibt keine Moscheen, keine Kirchen, keine Schulen, keine Universitäten mehr. Alles, die gesamte Kultur eines Landes ist zerstört.
Palästinenser wissen es: Israel will keinen Frieden, Israel will nur das Land!
In 20 Jahren wird es 5x Hamas geben - wenn die Probleme nicht gelöst werden, wenn die Apartheid, die Vertreibung, die Ungleichheit, die Ermordung palästinensischer Politiker, die politischen Gefangenen in den Folterzellen Israels und das aus alldem resultierende Elend und die Demütigungen nicht beendet werden.
Es ist uns nicht entgangen, dass in Israel Menschen für die Freilassung der Geiseln demonstriert haben. Netanyahu wurde für seine Politik monatelang kritisiert und bestreikt. Die Forderungen nach Gleichheit und Rechte der Palästinenser war unsichtbar. Es sind zu wenige, um Israel in Richtung Frieden zu bringen.
In Gaza denkt man nicht so weit: Fallen morgen keine Bomben? Was kann ich meinem Kind heute Abend zu Essen geben?
Werde ich mich irgendwann auch mal wieder waschen können? Auch meine Kleider? Und mein Kind auch? Und auf ein richtiges Klo will ich - für mich alleine!
Salam - in der Hoffnung auf ein Shalom
Zur Person Muriel Asseburg
Muriel Asseburg ist eine deutsche Politologin. Ihre Forschungsgebiete sind Konflikte und politische Ordnungen im Nahen Osten. Sie ist seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Völkerrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte dort im Jahr 2000 mit einer Arbeit über Blockierte Selbstbestimmung: Palästinensische Staats- und Nationenbildung während der Interimsperiode (nach dem Oslo-I-Abkommen 1993).
Seit 2001 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik. Von Oktober 2006 bis Juni 2012 leitete sie dort die Forschungsgruppe „Naher/Mittlerer Osten und Afrika“. Anschließend war sie bis 2015 Leiterin des Projekts „Elitenwandel und neue soziale Mobilisierung in der arabischen Welt“ sowie 2014/2015 des Projekts „Die Fragmentierung Syriens“. Seit Mai 2017 ist sie Mitglied im Fachbeirat von „Mediterranean Politics“.
2016 legte sie zusammen mit Jan Busse, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München, das Buch Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven vor, eine Einführung in die Geschichte und den aktuellen Stand des israelisch-palästinensischen Konflikts und mögliche Lösungen.[5]
Muriel Asseburg lebte unter anderem in Jerusalem, Damaskus, Ramallah und Beirut.
Quellen:
- Die ZEIT
- Frankfurter Rundschau
- tagesschau.de
- Zur Person M. Asseburg entnommen Wikipedia.de mir kleinen Änderungen.